Die Eigenschaften der Zykloide aus mathematischer, physikalischer und historischer Sicht
Zusammenfassung der Diplomarbeit von Diana Heuer WS 2003 E-Mail:
Betreuerin:
Prof. Dr. Angela Schwenk-Schellschmidt
Gutachter:
Prof. Dr.-Ing. Martin Ochmann
Aufgrund ihrer vielen besonderen und schönen Eigenschaften steht in dieser Arbeit eine einzige Kurve, die Zykloide, im Mittelpunkt. Anhand dieser Kurve, die auch unter dem Namen "Helena der Geometer" bekannt ist, wurden ihre zahlreichen Eigenschaften (unterteilt in zwei große Kapitel; die mathematischen und physikalischen Eigenschaften) untersucht.
Beim Studium der heutigen Literatur fällt auf, dass die Zykloide mehr und mehr in Vergessenheit gerät. Kaum ein Mathematiker ist sich der Schönheit und der Eleganz der älteren Arbeiten in Bezug auf die Zykloide bewusst. Während wir heute das schnelle Ergebnis mit minimalen Zeitaufwand und mit Hilfe der neuesten Methoden suchen, sind die historischen Arbeiten durchzogen von alteingesessener Geometrie und genialen Ideen. Während die Zykloide damals den meisten Gelehrten vertraut war, so ist sie heute gerade noch den Geometern und den Physikern bekannt. Darüber hinaus verschwindet sie mehr und mehr aus der gängigen Literatur. War die Zykloide in älteren Büchern immer Bestandteil zahlreicher Beispiele und Aufgaben, so wird sie heute gerade kurz erwähnt und Untersuchungen übersteigen kaum die Grenze des Flächeninhaltes und der Bogenlänge. Dies ist in Anbetracht der Tatsache, dass die Zykloide so zahlreiche schöne Eigenschaften besitzt, sehr bedauerlich.
Diese Arbeit verbindet mathematische und physikalische Betrachtungen mit den historischen Werken. Sinn und Zweck war es, die Betrachtungsweisen der Mathematiker in den früheren Jahrhunderten darzulegen und die Ergebnisse mit den heutigen Methoden nachzuvollziehen. Viele Betrachtungen von damals zogen die Entwicklung neuer mathematischer Teilgebiete nach sich, wie zum Beispiel die Entwicklung der Variationsrechnung, die im berühmten Brachistochronenproblem ihren Anfang fand.
In dieser Arbeit stoßen wir auf viele uns bekannte Mathematiker und Physiker. Erwähnenswert sind die Darstellungen und Lösungen von Jacob- und Johann Bernoulli, Blaise Pascal, Christian Huygens, Isaac Newton, Gottfried Wilhelm Leibniz sowie Galileo Galilei.
Mit den folgenden ausgewählten kleinen Darlegungen soll ein kleiner Einblick in diese Arbeit gewährt werden. Sie werden ohne jegliche Beweise zitiert.
Abb. 1: Parametrisierung der Zykloide |
1. Beziehung zwischen Roll- und Tangentenwinkel
Bezeichnet mit den Winkel, den die Tangente an die Zykloide mit der x-Achse einschließt, und wie üblich den Rollwinkel des Kreises, der die Zykloide erzeugt, so gilt zwischen beiden Winkeln der folgende Zusammenhang: .
2. Tangente der Zykloide
Abb. 2: Tangente der Zykloide |
3. Bogenlänge der Zykloide
Abb. 3: Bogenlänge der Zykloide |
4. Flächeninhalt der Zykloide
Abb. 4: Flächeninhalt der Zykloide |
5. Flächensegmente an der Zykloide von Isaac Newton
Abb. 5: Flächensegmente an der Zykloide von Isaac Newton |
6. Einhüllende der verkürzten Zykloiden
Abb. 6: Einhüllende der verkürzten Zykloiden |
7. Evolute der Zykloide
Abb. 7: Evolute der Zykloide |
8. Evolvente der Zykloide
Abb. 8: Evolvente der Zykloide |
9. Tautochrone
"Bestimme die Bahnkurve, auf der ein hinabgleitender Körper den tiefsten Punkt unabhängig vom Startpunkt immer in derselben Zeit erreicht." Diese Aufgabe von Galileo Galilei bearbeitete der Niederländer Christian Huygens und er bemerkte als erster, dass Kugeln, die auf einer Zykloidenbahn hinabrollen, den tiefsten Punkt immer zur gleichen Zeit erreichen, egal aus welcher Höhe sie gestartet waren. Dies ist die Eigenschaft der Tautochrone. Mit der erhaltenen Zeit von erkennen wir, dass die Fallzeit T eine von der Höhe H unabhängige Konstante ist.
10. Zykloide durch spezielle Bogenlängenfunktion bestimmt
Suchen wir die Parameterdarstellung einer Kurve, die folgenden Eigenschaften hat:
Abb. 9: Zykloidenpendel |
11. Katakaustik einer Zykloide
Abb. 10: Katakaustik einer Zykloide |
12. Brachistochrone
Das Problem der Brachistochrone ist das wohl bekannteste im Zusammenhang mit der Zykloide. Gefragt ist nach einer Kurve, auf der sich ein Körper unter dem Einfluss der Schwerkraft am schnellsten bewegt. Galileo Galilei hielt den Kreisbogen für die schnellste Verbindung.
Mit dem Vergleich der historischen Lösungen dieses Problems der Baseler Brüder Johann und Jacob Bernoulli belegen wir einen der vielen wissenschaftlichen Wettstreite unter den Mathematikern.
Abb. 11: Lösung des Brachistochronenproblems von Johann Bernoulli |
Abb. 12: Lösung des Brachistochronenproblems von Jacob Bernoulli |
13. Vergleich verschiedener Laufzeiten
Abb. 13: Vergleich verschiedener Laufzeiten |
14. Schattenwurf der Schraubenlinie
Abb. 14: Schattenwurf der Schraubenlinie |
Literatur
Allgemeine Literatur
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